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Das Jahr des Mangels

Wir bemerken täglich neue Dinge, die gerade fehlen, aus sind oder demnächst kommen. Aber keiner weiß genau wann. An einen Mangel hatten wir bislang sogar nicht im Entferntesten gedacht.

Sonst noch was? Foto: SPX

Sonst noch was? Foto: SPX

Das fast abgelaufene Jahr wird als eines des Mangels in die Geschichtsbücher eingehen. Allen voran an Halbleitern mangelt es bekanntlich und just die sollen auch noch bis ins übernächste Jahr hinein fehlen, rechnen Analysten vor. Der Auslöser für den ersten Teil der Chipkrise in der Autoindustrie war sie bekanntlich selbst, mit der vorschnellen Stornierung von Aufträgen im ersten Corona-Lockdown. Danach ist aber einiges zusammengekommen von Bränden hier, Erdbeben da und zwischenzeitlich immer wieder kleinen und größeren Lockdowns gerne in strategisch wichtigen Überseehäfen.

Es fehlt an Produktionskapazität in China, USA und Europa. Die aufzubauen ist teuer und dauert drei bis vier Jahre; eine bestehende zu erweitern immer noch bis zu zwei Jahre, haben wir dieser Tage gelernt. Mitunter fehlt es auch gar nicht an Chips selbst sondern an Dingen wie einer Spezialfolie, die Bauteile voneinander trennt. Blöd, wenn die nur von einem einzigen Unternehmen in Japan hergestellt wird, das just mit der Herstellung von Glutamat viel besser verdient als mit der Folie und deshalb nur bedingt seine Produktion ausbauen mag. Es hängt halt alles mit allem zusammen.

Die hohen Erdgaspreise weltweit machen beispielsweise nicht nur die Produktion von AdBlue für saubere Diesel unrentabel, sie verteuern auch die Produktion von Düngemitteln, weshalb nun in aller Welt, man mag es kaum glauben, Scheiße selten und damit teuer wird. Also genau genommen ist die Gülle, die der Bauer zum Düngen als Alternative zu Chemie auf die Felder spritzt von Australien über die USA bis Europa wohl inzwischen schwer zu bekommen, obwohl derlei in der Welt nun wirklich reichlich produziert wird.

Der menschlich bedingte Teil davon wird üblicherweise auch weggewischt, mit just dem ersten Produkt in der Pandemie, dass hierzulande knapp wurde. Als damals - man kann sich kaum noch daran erinnern - hierzulande Klopapier gehamstert wurde, machten sich die Volks- und Betriebswirte der Welt noch lustig über die Hamsterkäufer. In einer durchrationalisierten Welt mit bestens konfigurierten Lieferketten konnte schließlich nichts knapp werden. Ein paar weltweite Corona-Wellen später stellt sich heraus: Auch Top-Manager agieren wie Lieselotte und Paul Müller. Kaum stockt der Lieferverkehr, mal wegen Corona, mal wegen eines havarierten Frachters im Suez-Kanal, schon traut man der eigenen Logistik nicht mehr so ganz und das auch noch völlig zu Recht. Jedenfalls wird, egal von welchem Bauteil, doch lieber mal etwas mehr geordert und mal wieder ein kleiner Vorrat angelegt. Und weil alle wie die Müllers handeln, führt die betriebliche Vorratshaltung plötzlich zu mehr Nachfrage als Produktions- und Transportkapazitäten da sind. Jetzt ist dann plötzlich fast alles knapp.

Knapp sind insbesondere auch gute Ideen. Ein solche meinten wir vor gut einem Jahr gehabt zu haben und taten das an dieser Stelle auch kund, als es darum ging, wie die Autoindustrie ihre drohenden CO2-Strafzahlungen vermeiden könnte. In allerbester Greenwashing-Manier hatten wir damals vorgeschlagen, die Industrie solle doch einfach bei einem der gängigen Händler für CO2-Kompensationen ein entsprechendes Produkt erwerben und auf den Kaufpreis des Autos draufschlagen, schon wäre das Problem zwar nicht aus der Welt, aber doch vom Tisch. Jetzt, immerhin ein Jahr später, greift Porsche unsere Idee auf, falls sie nicht doch von selbst draufkamen, so schwer ist das ja nicht. Jedenfalls kompensiert Porsche jetzt den CO2-Ausstoß seiner hierzulande verleasten Neuwagen je nach Laufleistung durch den Zukauf von CO2-Zertifikaten aus langfristigen Klimaprojekten und zwar ohne Mehrkosten für die Kunden. Geht doch. Sonst noch was? Nächstes Jahr wieder.